DGFIT-Symposium im Rahmen des Urologischen Winterworkshops in Leogang 2012

zu aktuellen fachübergreifenden Themen der Immun- und Targeted Therapie

Die Deutsche Gesellschaft für Immun- und Targeted Therapie (DGFIT) war am 24.01.2012 als Guest Faculty auf dem 21. Urologischen Winterworkshop im verschneiten Leogang eingeladen. Das Programm war vielfältig und beleuchtete neben dem aktuellen „state-of-the-art“ Vorgehen beim Nierenzellkarzinom im Zeitalter der Target-Therapeutika sowohl neue Ansätze zur Optimierung der Therapie als auch innovative immuntherapeutische Optionen beim Prostatakarzinom. Prof. Dr. M. Siebels und Prof. Dr. A. Hegele leiteten das gut besuchte DGFIT-Symposium.

Ansätze zur Therapieoptimierung beim Nierenzellkarzinom

Der erste Beitrag von Dr. Ch. Keil aus der Marburger Arbeitsgruppe der Klinik für Urologie & Kinderurologie befasste sich mit den „Möglichkeiten für eine individualisierte Target-Therapie beim Nierenzellkarzinom“.

Der Referent stellte erste Daten zu Möglichkeit und Machbarkeit der individuellenBestimmung von Sunitinib und Sorafenib im Plasma bei Patienten mit einem metastasierten Nierenzellkarzinom mittels Tandemspektrometrie vor. Diese ersten Daten konnten zeigen, dass die Wirkspiegel von Sunitinib und Sorafenib im Plasma nachweisbar sind und die Höhe der Spiegel mit dem Rhythmus und der Dosierung der Einnahme der Substanzen korrelieren. Bei Dosisreduktion z.B. aufgrund von Nebenwirkungen konnte beispielsweise ein Abfall der Konzentration gezeigt werden,ebenso wie ein Rückgang in der Therapiepause. Dieser sehr interessante Ansatz zur Optimierung der Therapie und Reduktion der Nebenwirkungen mittels Bestimmung individueller Wirkspiegel wird durch die Arbeitsgruppe weiter verfolgt: geplant ist eine Evaluierung speziell mit Fokus auf die Korrelation der Plasmaspiegel auf das Ansprechen an einem größeren Patientenkollektiv.

Aktuelle Sequenztherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom

Über die „Aktuelle Sequenztherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom“ referierte Prof. Dr. M. Siebels. Nach Vorstellung der zugelassenen Substanzen beschrieb Siebels, dass bei der Auswahl der primären Therapiestrategie der Ort der Metastasen (pulmonal, viszeral, lymphogen) ebenso wie der Allgemeinzustand des Patienten und die zu erwartenden Nebenwirkungen bei der individuellen Therapieplanung mit in Betracht gezogen werden müssen. In der Sequenz steht aktuell durch die bereits zugelassenen (und zukünftig durch die noch in der klinischen Erprobung befindlichen) Substanzen eine Vielzahl von möglichen Kombinationen zur Verfügung. Auch die Leitlinien der Fachgesellschaften ändern sich hier stetig und rasch. Erfreulicherweise zeigen die vorliegenden Daten, dass sich mit einer Sequenztherapie die Überlebenszeiten der einzelnen Target-Substanzen summieren. So kann z.B. mit einer Firstline-Therapie mit Bevacizumab/Interferon und einer sich anschließenden Tyrosin-Kinase-Inhibitor-basierten Therapie eine Überlebenszeit von über 3 Jahren erreicht werden. Siebels präsentierte die aktuell verfügbaren Daten zu den unterschiedlichsten Sequenztherapien, die aktuell initiierten Studien zu diesem hoch aktuellen Thema und gab zusätzlich noch einen kurzen Ausblick auf die neuesten frühen klinischen Entwicklungen.

Chirurgie in Zeiten der Target-Therapie – was soll man beachten?

Bei der „historischen“ Immuntherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zeigte sich ein Überlebensvorteil, wenn primär eine zytoreduktive Neph-
rektomie durchgeführt wurde. Dr. A. Becker aus der Hamburger Arbeitsgruppe referierte zu diesem Thema und stellte die aktuelle Datenlage dar. Die Rationale für die palliative zytoreduktive Nephrektomie stellt die Reduktion von Tumorlast mit konsekutiv weniger Target-Zellen und somit womöglich einer effektiveren Target-Therapie dar. Bislang existieren keine aussagekräftigen Daten aus prospektiv randomisierten Studien, es liegen lediglich Daten aus Subgruppenanalysen der einzelnen Zulassungsstudien vor, erklärte Becker. Hier aber zeigte sich ein Vorteil im progressionsfreien Überleben für die zytoreduktive Nephrektomie mit sich anschließender Sunitinib-Therapie, allerdings nicht bei High-Risk-Patienten. Retrospektive Daten an 314 Patienten erbrachten ebenfalls einen Vorteil für die zytoreduktive Nephrektomie vor VEGF-Therapie im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie. Aber auch die Rationale der neoadjuvanten Target-Therapie bietet laut Becker je nach Befund Vorteile für den Patienten, allerdings existieren auch hier keine prospektiv randomisierten Daten. Becker schlussfolgerte, dass die aktuell verfügbaren Daten die Durchführung einer zytoreduktiven Nephrektomie unterstützen, aber ebenso bei primär nicht resektablen Befunden ein Downstaging mit einer initialen Target-Therapie erreicht werden kann. Wichtig ist die Selektion der Patienten z.B. anhand der Motzer-Kriterien, des Weiteren müssen die Ergebnisse aktueller Studien zu diesem Thema abgewartet werden.

Immuntherapie in der Uro-Onkologie

Dr. C. Pöhlein aus Seattle, USA trug zur „Immuntherapie in der Uro-Onkologie“ vor: „Sipuleucel-T (Provenge®) – die erste FDA-zugelassene autologe, zelluläre Immuntherapie zur Behandlung vom metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom. Pöhlein berichtete über die Ergebnisse der IMPACT-Studie (512 Patienten): Es zeigte sich nach einem medianen Follow-up von 34 Monaten ein signifikanter Überlebensvorteil von 4,1 Monaten im Vergleich zur Placebogruppe. An Nebenwirkungen sind vor allem die für ein Immuntherapeutikum typischen grippeähnlichen Symptome wie Schüttelfrost, Pyrexie und Kopfschmerzen zu nennen. So stellt Sipuleucel-T aktuell die erste autologe therapeutische Vakzine dar, welche zu einem Überlebensvorteil beim Prostatakarzinom führt. Erstaunlicherweise zeigte sich aber kein Unterschied bei anderen messbaren Parametern wie PSA und radiologischem Ansprechen. Sipuleucel-T bewirkt eine Aktivierung der T-Zellen und Antigen-präsentierenden Zellen (APC): Dies ist nachweisbar an einer Up-Regulation von CD54 und einer Steigerung der Zytokinproduktion, welche in den bisherigen Untersuchungen als Biomarker zum Einsatz gekommen sind, um die Aktivität von Sipuleucel-T zu erfassen. Ziel ist, diese neue und innovative Immuntherapie des Prostatakarzinoms
auch möglichst schnell in Europa einzuführen und deren exakten Wirkmechanismus weiter aufzuklären, erläuterte Pöhlein. Zulassungsstudien sind hierzu geplant.

Neue Daten zur Therapie der small renal masses (SRM) mit Hilfe ablativer Verfahren

Im Anschluss referierte Prof. Dr.T. Helmberger über „Neue Daten zur Therapie der small renal masses (SRM) mit Hilfe ablativer Verfahren“. Die Definition einer SRM ist bis dato nicht eindeutig geklärt, normalerweise sind es Tumoren bis zu einer Größe von 4 cm. Eine Meta-Analyse der Biopsieergebnisse an 1.375 SRM zeigte laut Helmberger bei über 50% der Tumoren eine maligne und an über 30% eine unklare Histologie. Die Entscheidung zur Durchführung einer lokalen Ablationstherapie der SRM muss interdisziplinär zwischen dem Urologen/Onkologen und dem interventionellen Radiologen auch unter Anbetracht der individuellen Patientensituation (Komorbiditäten etc.) getroffen werden. Als Verfahren können aufgrund der Datenlage die Radiofrequenzablation (RFA) als auch die Kryoablation eingesetzt werden. Für HiFU, Laser, Mikrowelle etc. ist die Datenlage bei z.T. signifikanten Rezidivraten nicht ausreichend. Nach Erläuterung der Indikationen und Kontraindikationen für eine lokale Ablation präsentierte Helmberger mehrere sehr beeindruckende Fallbeispiele: Neben SRM zeigen z.B. auch Lymphknotenmetastasen ein gutes Ansprechen auf eine RFA. Unabhängige Prognosefaktoren für den Erfolg einer Ablation sind die Tumorgröße und die periphere Lokalisation des Tumors. Auch die Nähe des Tumors zum Nierenbeckenkelchsystem stellt, bei erhöhtem Blutungsrisiko, kein Risiko für eine inkomplette Ablation dar. Helmberger erläuterte, dass die Komplikationsrate der RFA sehr gering (< 2%) ist, der onkologische Erfolg gemessen am rezidivfreien Überleben nach 3 Jahren bis zu 92% beträgt, und die Nierenfunktion sich nicht verschlechtert. Eine Meta-Analyse an 1.375 Tumoren zeigte, dass die Behandlung mittels Kryoablation signifikante Vorteile im Vergleich zur RFA in Bezug auf den Erfolg der einmaligen Therapie als auch der lokalen Tumorkontrolle bietet, ein Nachteil sind höhere Komplikationsraten aufgrund des laparoskopischen Vorgehens. Zusammenfassend stellen die RFA und Kryoablation eine sinnvolle therapeutische Option für Patienten dar, die für eine operative Therapie (welche die besten Überlebensraten aufweist) nicht geeignet sind.

Tipps und Tricks bei der praktischen Durchführung von Immun- und Target-Therapien

Als letzter Redner des DGFIT-Symposiums gab PD Dr. A. Hegele aus Marburg „Tipps und Tricks bei der praktischen Durchführung
von Immun- und Target-Therapien“. Hegele PD Dr. A. stelte dar, dass sich sowohl das Nebenwirkungsprofil der Immun- und Target-Therapeutika als auch die Interaktionen dieser „biologic agents“ ganz klar von denen einer Chemotherapie unterscheiden. Erfreulicherweise führen die unterschiedlichen Substanzen in der Mehrzahl der Fälle nur zu Grad 1-2-Toxizitäten, dies allerdings sehr häufig und je nach Substanz in andersartiger Ausprägung. Hegele stellte klar dar, dass der optimale Erfolg in dieser palliativen Situation einen Erhalt der individuellen Lebensqualität, verbunden mit einer Verlängerung der Lebenszeit bedeutet. Deshalb ist es für den behandelnden Arzt unerlässlich, die möglichen Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen sowie deren Prävention und Beherrschung zu kennen. Hierzu gehören auch eine Patienteninformation/-aufklärung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen, angepasst an die zu erwartenden und auftretenden Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen. Inwieweit sich die auftretenden Nebenwirkungen in der Sequenz- oder Kombinationstherapie verändern, mit dem Ansprechen korrelieren und im Alter hinnehmbar und sinnvoll sind, wird durch aktuelle und zukünftige Studien beantwortet werden müssen.

Weitere Informationen auf www.winterworkshop.de