Verleihung Clinical Science Award 2019

Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der normalerweise mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben.

Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der ungewöhnlich vielen guten eingereichten Arbeiten zu dem Schluss, den diesjährigen „Clinical Science Award“ der DGFIT diesmal an einen 1. Platz und einen 2. Platz (insgesamt 3.000,00 Euro) zu vergeben.

Der 1. Platz ging an Prof. Dr. med. Sebastian Kobold, München

Prof. Dr. med. Sebastian Kobold, München

für folgende Arbeit, hier in der Kurzfassung

Cancer cells induce interleukin-22 production from memory CD4+ T cells via interleukin-1 to promote tumor growth

Das Immunsystem eines Patienten kann in einer wachsenden Zahl an Entitäten und Indikationen erfolgreich gegen seine Tumorerkrankung ausgerichtet und scharf gemacht werden. Gleichzeitig nutzen viele Krebsarten das Immunsystem auch in ihrem Sinne aus. Dies bedeutet, dass Immunzellen oder Bestandteile dessen Krebswachstum und das Fortschreiten der Erkrankung fördern. Diese Prozesse und insbesondere was den Unterschied zwischen einer produktiven anti-tumoralen und einer protumoralen Immunantwort ausmachen sind nur unvollständig verstanden.

Ein Faktor, welches von Immunzellen, insbesondere T-Zellen ausgeschüttet wird ist Interleukin-22 (IL-22). In zahlreichen Arbeiten konnten wir und andere belegen, dass IL-22 in Tumore stark exprimiert wird, das Erkrankungsfortschreiten fördert und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Ob und wie Krebszellen diese Interaktion fördern können war jedoch unbekannt. In der preisgekrönten Arbeit, konnten wir nun den Mechanismus entschlüsseln durch den Krebszellen direkt die Produktion von IL-22 regulieren können. Krebszellen aktivieren in myeloiden Zellen die Produktion von Interleukin-1, welches wiederum direkt die IL-22 Produktion von T-Zellen ankurbelt. Dadurch werden T-Zellen zu Produzenten des Krebs-fördernden Faktors IL-22. Wir gehen davon aus, dass diese Erkenntnis helfen wird bessere Krebstherapien zu entwickeln die diesen Teufelskreis zu durchbrechen vermögen.

Der 2. Platz ging an Dr. Markus Eckstein, Erlangen

Dr. Markus Eckstein, Erlangen

für folgende Arbeit, hier in der Kurzfassung

Charakterisierung des immunologischen Mikromilieus muskelinvasiver Harnblasenkarzinome und klinisch-pathologische Implikationen


Das Urothelkarzinom der Harnblase stellt weltweit eine der zehn häufigsten Malignome dar. Muskelinvasiver Blasenkrebs (MIBC) repräsentiert zwei Drittel des invasiven Urothelkarzinoms und weist eine hohe Morbidität und Mortalität auf. Trotz jahrelanger intensiver therapeutischer und wissenschaftlicher Bemühungen versterben 50-60% der Patienten mit MIBC innerhalb von 5 Jahren. Daher besteht ein großer Bedarf an einer Verbesserung der Patientenbehandlung und der Entwicklung neuer Therapieansätze. Medikamente, die Immunzellen modulieren, stellen neuartige Behandlungsansätze auch für das MIBC dar. In der vorliegenden Arbeit wurde zum genaueren Verständnis immunologischer Vorgänge im MIBC das Microenvironment dieser Tumore mit verschiedenen Methodiken (Genexpression, Immunhistochemie, Histologie) untersucht. Hierzu wurden Proben von insgesamt 542 Patienten mit MIBC untersucht [CCC- Erlangen Metropolregion Nürnberg, n = 135 (CCC-EMN) und TCGA n = 407 ].

Die Daten der Studie zeigen, dass stromale tumorinfiltrierende Lymphozyten (TILs), tertiäre lymphoide Strukturen (TLS) sowie die räumliche Verteilung von Immunzellen und intrinische Blasenkrebssubtypen Faktoren für die Risikostratifizierung von Patienten mit MIBC darstellen. Die Quantität und räumliche Organisation verschiedener Immunzelltypen prädizieren das Ausmaß der antitumoralen Entzündungsreaktion und korrelieren mit intrinsischen Subtypen des MIBC. Ferner ist eine hohe Infiltration von MIBCs mit einer deutlich verbesserten Prognose assoziiert (hohe sTIL-Werte: 74% – [CCC-EMN], 54% – [TCGA] über 5 Jahre vs. niedrige sTIL-Werte: 29% [CCC-EMN] & 28% TCGA-Kohorte]. Interessanterweise weisen basal differenzierte MIBCs eine signifikant gesteigerte Immunzellinfiltration auf, während luminale Tumore deutliche niedrigere Raten an hoch entzündlich-veränderten Tumoren aufweisen. Kongruent mit den Beobachtungen, dass Patienten mit hoher Immuninfiltration eine bessere Prognose aufweisen, konnten wir ebenfalls zeigen, dass eine hohe Immuninfiltration auch innerhalb der Subpopulationen der intrinsischen Subtypen (luminal/basal) Subgruppen mit deutlich verbessertem Überleben identifiziert.

Ein weiteres wichtiges Subkollektiv von Patienten mit MIBCs stellen Patienten dar, die aufgrund einer lokal fortgeschrittenen Erkrankung eine adjuvante platinbasierte Chemotherapie erhalten (pT3 +, extravesikale Ausbreitung oder/und pN+, lymphonodale Metastasierung). Das 5-Jahresüberleben in dieser Subpopulation beläuft sich auf ca. 20-30%. Im Rahmen unserer Studie konnten wir zeigen, dass Patienten unabhängig vom intrinsischen Subtyp hoch signifikant gesteigerte Überlebensraten nach einer adjuvanten platin-basierten Chemotherapie aufweisen sofern die Tumore eine gesteigerte Immuninfiltration zeigten (5-Jahres-Überlebensrate 70%). Nicht entzündlich-alterierte Tumoren waren hingegen mit einer sehr niedrigen Überlebensrate von 15% assoziiert. Dieser Befund ist wichtig, da derzeit keine Biomarker vorliegen, um einen Überlebensvorteil einer adjuvanten Chemotherapie auf Platinbasis vorherzusagen.

Zusätzlich konnten wir zeigen, dass das MIBC verschiedene räumlich-organisierte Immunphänotypen aufweist. Die Anzahl und räumliche Verteilung von TILs, TLS und spezifischen Immunzellpopulationen weisen einen signifikanten Zusammenhang mit MIBC-Subtypen auf und beeinflusst das Überleben der Patienten. Die verschiedenen Immunphänotype sind wie folgt charakterisiert: „Hoch entzündet“, „niedrig entzündet“ und „nicht entzündet“; diese Einteilung ist bereits für andere solide Entitäten beschrieben worden. Neben diesen drei Immunphänotypen konnten wir jedoch einen weiteren, bislang im MIBC nicht beschriebenen Phänotyp identifizierten, welcher extrem hohe Proteinexpressionswerte von PD-L1 auf Tumorzellen und parallel – passend zu einem stark immunsuppressiven Phänotyp- geringere Quantitäten von TILs aufweist (sog. Evasionsphänotyp). Patienten mit hoch entzündeten Tumoren wiesen 5-Jahresüberlebensraten von 80% auf, während die aktiv dem Immunsystem entrinnende (Evasionsphänotyp) und die nichtentzündete Gruppe sehr kurze Überlebensraten von nur 29,3% bzw. 24,1% über 5 Jahre aufwiesen.
 Ferner konnten wir zeigen, dass sogenannte tertiäre lymphoide Strukturen (Pseudolymphknoten im Tumorgebiet) zum einen signifkant häufiger in entzündlich-verändertem Tumoren auftreten, anderseits jedoch auch unabhängig vom generellen Entzündungsstatus mit einer guten Prognose assoziiert sind. Interessanterweise war nicht nur die totale Anzahl, sondern auch die Distanz (kurze Distanz zum Tumor – bessere Prognose) der TLS zum Tumor für einen Überlebensvorteil entscheidend. Kongruent mit einer immunsuppressiven Aktivität waren TLS in Tumoren mit einem Evasionsphänotyp nur selten nachzuweisen.
 
Unsere Erkenntnisse erweitern unser Wissen darüber, wie MIBC in Bezug auf sTILs, TLS, Immunzellphänotypen und Genexpression pathologisch analysiert werden können und können dazu beitragen die Präzisionsonkologie im MIBC zu optimieren. Nicht entzündlich-veränderte MIBC repräsentieren 36% (CCC-EMN) bzw. 40% (TCGA) aller MIBC, und unsere Daten legen nahe, dass solche Tumore mit einer schlechteren Response auf Immuntherapien assoziiert sein könnten. Aktuelle Studienergebnisse haben gezeigt, dass nicht entzündlich-veränderte Tumore unter Immuncheckpoint-Therapie mit Pembrolizumab oder Atezolizumab signifikant verringerte Überlebensraten aufweisen, weshalb die Indikation dieser Medikamente in der 1-Linien-Therapie auf entzündlich-veränderte Tumore beschränkt wurde. Diese Patienten könnten deshalb von alternativen Strategien, um eine Immunantwort erneut in Gang zu setzen- z.B. epigenetischen Therapien- profitieren. Patienten mit einem „Evasions“ –Phänotyp könnten aufgrund der starken PD-L1-Expression von einer Anti-PD-L1-Behandlung profitieren. Patienten mit stark entzündeten Tumoren könnten ebenfalls Kandidaten für eine Immuntherapie oder für eine adjuvante Chemotherapie sein. Ferner könnte die Charakterisierung des immunologischen Mikromilieus auch zum Verständnis beitragen, warum bestimmte Tumore nicht von einer adjuvanten Chemotherapie oder einer Immuntherapie profitieren, und deshalb Kandidaten für zielgerichtete Therapien wie beispielsweise der Inhibition des FGF-Rezeptors 3 darstellen.